Kurz vor Rückrundenbeginn zieht der TSV Crailsheim seine Mannschaft aus der Oberliga zurück. Die Trainerin trat zurück - und letztlich standen nur noch elf Spielerinnen zur Verfügung (von Ralf Mangold, Hohenloher Tagblatt vom 03.03.2023)

Vor knapp 46 Jahren wurde die Frauenfußballabteilung des TSV Crailsheim auf Initiative von Hubert Oechsner gegründet. Mit diesem Namen eng verbunden ist auch der beinahe märchenhafte Aufstieg der Fußballerinnen bis zum Sprung 1995 in die damals noch zweigleisige 1. Bundesliga. Unvergesslich die Spiele gegen damals große Mannschaften wie den 1. FFC Frankfurt oder später den FC Bayern München mit teilweise über 1000 Zuschauern im Schönebürgstadion.

Corona kam dazwischen

Mit kurzer Unterbrechung kickten die Crailsheimerinnen bis 2009 erstklassig und anschließend acht weitere Jahre in der 2. Bundesliga. Doch mit dem Abstieg vor fünfeinhalb Jahren in die Regionalliga deutete sich das Ende einer großen Ära im Frauenfußball beim TSV schon an. Wäre nicht Corona dazwischengekommen, so wären die Crailsheimerinnen sicherlich schon früher abgestiegen - aber in der vergangenen Saison war es dann endgültig beschlossene Sache, dass es in Crailsheim nur noch in der Oberliga weitergehen wird.

Nun sollte eigentlich ein Neuanfang mit Spielerinnen aus dem Nachwuchsbereich gestartet werden. Ziel war, sich mit den talentierten Kickerinnen aus der Jugend, die bei den B-Juniorinnen gar in der Bundesliga mitmischen, in der Oberliga zu etablieren und mittelfristig die Rückkehr in die Regionalliga. Doch dies - so stellte sich schnell heraus - sollte nur eine Wunschvorstellung bleiben. Schon in der Vorrunde gab es Probleme mit dem dünnen Kader wegen Verletzungen und Krankheiten und so beendeten die Crailsheimerinnen jene mit gerade einmal sieben Punkten auf dem drittletzten Platz. Der Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz betrug mindestens elf Punkte. Einen weiteren Abstieg in die Verbandsliga zu verhindern, wäre schon beinahe einem Wunder gleich gekommen.

Turbulente Wochen

Doch alles kam noch schlimmer. "Wir haben turbulente Wochen hinter uns", berichtet Marco Schmitt, sportlicher Leiter und Torwarttrainer bei den TSV-Frauen. Am Ende stand am Mittwochabend schließlich fest: Der TSV Crailsheim wird seine erste Frauenmannschaft aus dem Spielbetrieb zurückziehen. In der kommenden Runde muss dann in der Regionenliga gekickt werden, wo die zweite Mannschaft des TSV aktuell Platz 6 einnimmt.

In der Winterpause überschlugen sich die Ereignisse. Neben zwei Langzeitverletzten haben auch noch insgesamt vier Spielerinnen im Lauf oder zum Ende der Vorrunde aufgehört. Dazu kamen die Wechsel von Hanna Weber nach Mögglingen und von Marlen Schmelzle zum Oberliga-Tabellenführer VfB Stuttgart, gegen den übrigens nächste Woche das erste Rückrundenspiel angesetzt gewesen wäre. Schon die ganze Runde war die Trainingsbeteiligung vor allem studienbedingt niedrig - und deshalb trat auch noch Trainerin Natalie Wied vor Beginn der Rückrundenvorbereitung von ihrem Amt zurück, weil keine sinnvollen Übungseinheiten mehr möglich waren. Insgesamt 17 Spielerinnen hat Schmitt im Winter angefragt, um den Kader breiter aufzustellen, doch er konnte keine von einem Wechsel überzeugen. "So hatten wir nur noch 13 Spielerinnen, wollten aber dennoch probieren, die Runde fertig zu spielen und die Mannschaft mit Mädels aus der B-Jugend aufzufüllen", erzählt Schmitt. Doch dann der nächste Tiefschlag. Es kamen noch einmal zwei weitere langfristige Ausfälle hinzu und eine Spielerin wollte wegen ihres Studiums nicht mehr weiterkicken.

Mannschaft zurückgezogen

Alle drei angesetzten Vorbereitungsspiele mussten wegen Spielermangels abgesagt werden. "Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht, aber es hatte keinen Sinn , die Frauenmannschaft jedes Mal mit sechs, sieben Spielerinnen aus der B-Jugend aufzufüllen. Deshalb mussten wir jetzt die Reißleine ziehen." Die Abteilungsführung kam also zu dem Entschluss, die erste Mannschaft mit sofortiger Wirkung aus dem Spielbetrieb zurückzuziehen. Wie es weitergeht ist offen. Den Verein wechseln können die Spielerinnen des Oberligateams nicht, weil der TSV Crailsheim ja eine zweite Mannschaft hat.

Für den Frauenfußball in der Region ist dieser Rückzug natürlich bitter, über Jahrzehnte hinweg war der TSV Crailsheim Aushängeschild und Anlaufstelle für talentierte Nachwuchskickerinnen. Zumindest hofft Schmitt, dass die B-Juniorinnen den Klassenerhalt in der Bundesliga schaffen. "Mittelfristig war unser Kader für höherklassigen Fußball bei den Frauen schon in den letzten Jahren durchschnittlich viel zu jung. Die talentierten Mädels aus der B-Jugend brauchen ein, zwei Jahre, um sich an den Erwachsenenfußball zu gewöhnen, und dann sind sie weg, weil sie irgendwo anders studieren." Es fehle letztlich auch die Perspektive, dass sich daran etwas in den nächsten Jahren ändern könne.

So bleibt den Crailsheimerinnen nur die Hoffnung, dass sie sich auch weiterhin zumindest als guter Ausbildungsverein in der Jugend im Frauenfußball positionieren können.


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